„Wir sind als Europoles alle lila geworden“

Im FUCHS-Porträt: Tobias Fersch, Geschäftsführer bei FUCHS Europoles

FUCHS Europoles entwickelt, produziert und baut an den Megatrends der Zeit – WIR FÜCHSE haben mit Tobias Fersch über den Weg zum Fortschritt gesprochen.

Zusammenhänge kennen und gestalten – alles andere ist Tobias Fersch (41) zu eng. Gemeinsam mit Gesellschafter Conrad Fuchs sowie seinen Geschäftsführer-Kollegen Michael Novotny und Jürgen Joos lenkt er die FUCHS Europoles-Gruppe. Die „Welt der Maste und Türme“ kennt er seit Pfleiderer Europoles-Zeiten. Er hat in 16 Jahren viele Transformationen gesehen – die wichtigsten selbst gestaltet.

Tobias, wie bist Du 2007 bei „Pfleiderer Europoles“ gelandet?

Ich bin im Raum Neumarkt aufgewachsen, nach dem Abitur wollte ich in die große Welt. Ich habe in München Wirtschaftsingenieurwesen studiert – als universelle Fachrichtung genau das Richtige für mich. Ende der 1990er waren alle auf Globalisierung gepolt, internationale Absatzmärkte, weltweite Supply Chain, verlängerte Werkbankkonzepte usw. Das hat mich fasziniert, längere Auslandsaufenthalte in Argentinien und China haben dann mein Studium geprägt; Nach dem Diplom dachte ich mir – jetzt ab zu einem internationalen DAX-Konzern.

Damit meinst Du aber nicht Europoles?

Nein, (lacht); allerdings habe ich schon in der Bewerbungsphase beim Konzern gemerkt – das passt nicht zu mir. Hier wirst Du in ein Korsett gefasst und hast weder Gestaltungsspielraum noch den Blick fürs Ganze. Da hat mich ein Nachbar, Bereichsleiter bei Europoles, angesprochen: „Komm zu uns nach Neumarkt, wir hätten da was im Business Development“. „Naja“, hab ich gedacht, „schaust Dir ein, zwei Jahre einen Mittelständler an“. 2022 wurde ich dann für 15 Jahre Betriebszugehörigkeit geehrt…

„Mit FUCHS haben wir Produkte und Produktion standardisiert, automatisiert, neu strukturiert, intelligenter gemacht.“

Was hat Dich beim Mast- und Turmhersteller begeistert?

Ich konnte mich aktiv einbringen. Business Development, strategische Entwicklung neuer Märkte und Produkte – das war mein spannender Aufgabenbereich. Europoles erlebte vor 20 Jahren gute Zeiten mit internationalem Marktwachstum sowie neuen Produktionsstandorten in der Schweiz, Polen und dem Oman. Wir bauten das Liefergeschäft in Europa mit Niederlassungen in Frankreich, Spanien, Polen sowie England aus. Ich war zuständig für neue Geschäftsmöglichkeiten im Zuge der Internationalisierung. Wir haben hierin viel investiert, da die deutschen Märkte gesättigt waren. Zielmärkte waren Nordafrika, Middle-East, Süd-Ost Europa oder auch die Türkei, die hohen Bedarf an Infrastrukturausbau im Bereich Freileitungsnetze oder Bahnelektrifizierung hatten. Angebote erstellen, passende Produkte entwickeln und anpassen, Joint Venture Partner identifizieren, Produktion vor Ort sichern, Kontakte zu AHKs, usw.

Ich war zu viel unterwegs und sehnte mich nach einer operativen Basis und einem eigenen Team mit Umsatz- und Ergebnisverantwortung. Die Geschäftsführung vertraute mir daher die Oberleitungsmaste, Vertrieb und Auftragsbearbeitung an. Später kamen die Hochbaustützen im anspruchsvollen Umfeld von Architekturbeton dazu.

Ab wann wurde es schwierig bei Europoles?

Europoles hatte sich vom reinen Liefergeschäft – dem Modell aus Pfleiderer-Zeiten – zum Generalübernehmer entwickelt. Das Geschäftsmodell wurde v.a. im Bereich Telekommunikation deutlich ausgebaut und umfasste neben der Produktion und Lieferung von Masten auch die Planung sowie die Bauleistung vor Ort. Das war der richtige Ansatz – jedoch wurde versäumt, dafür effiziente Strukturen zu schaffen. Zudem stieg durch Großinvestitionen in neue Produktionsstandorte die Abhängigkeit zu Banken extrem. Die Marktlage im Bereich Kommunikation hatte sich eingetrübt und die Wachstumsziele gegenüber den Banken konnten nicht gehalten werden.

Ab 2013 kamen deshalb die ersten Berater ins Haus, und es wurde fleißig analysiert. Es gab wechselnde Geschäftsführer und damit eine unstete strategische Führung. Notwendige Maßnahmen unterblieben, der Handlungsspielraum als Unternehmen wurde immer kleiner.

2017 verließ uns der stv. Leiter des Geschäftsbereiches Telekommunikation, und die Verantwortung für den kaufmännischen Part wurde mir angeboten. Ein Karrieresprung und ein Tätigkeitsfeld, das mich reizte. Aber auch hartes Brot – wir betrieben damals fünf Niederlassungen, die ihr Geschäft sehr eigenständig betrieben. Nötige Veränderungen oder kritische kaufmännische Fragen wurden zu Tode diskutiert. Wir mussten die Versäumnisse aus den Wachstumsjahren v.a. bei der Unternehmensorganisation aufarbeiten, gute Leute gingen – viele davon konnten WIR FÜCHSE glücklicherweise zurückgewinnen.
Die Bemühungen der Berater griffen ins Leere. Als Externe waren sie viel zu weit weg, um das komplexe Geschäft zu verstehen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Bis im Oktober 2018 die Nachricht kam, dass uns ein großer Auftrag eines Versorgungsunternehmens entzogen wird.

Da kam es zur Insolvenz. Wie lief die ab?

Sanierung in Eigenregie. Wir fingen an, gewachsene Strukturen zu entwirren, um in einen geordneten Verkaufsprozess übergehen zu können. Immer mit dem Ziel, das Überleben des Unternehmens zu sichern. Alle werthaltigen Aufträge wurden fortgeführt. Die Kommunikation mit Kunden und Lieferanten war sehr schwierig, aber ich dachte „Mehr lernen als jetzt kannst Du nie wieder“. Unser Gegner war die Zeit. Schnell einen Käufer finden, sonst wär´s das gewesen. Insolvenz in der Insolvenz.

„Ich hatte die Entwicklung der Firmenfamilie FUCHS schon immer interessiert verfolgt, war aber dennoch überrascht, wie stark seine Firmengruppe damals schon war.“

Einer der Interessenten war ein alter Bekannter.

Ja, ein enger Freund seit Jugendtagen – Conrad Fuchs. Ich hatte die Entwicklung der Firmenfamilie FUCHS schon immer interessiert verfolgt, war aber dennoch überrascht, wie stark seine Firmengruppe damals schon war. Er stellte als potenzieller Investor sofort die richtigen Fragen. Das Geschäftsmodell Generalübernehmer konnte er aufgrund seiner FUCHS-Erfahrungen für sich richtig einordnen. Als strategischer Investor verstand er sehr schnell, was man verändern musste, um den Europoles-Produkten und Mitarbeitern den Erfolg zu sichern, den sie verdienen. Conrad stellte die richtigen Weichen, insbesondere bei der Zusammenarbeit mit unserem wichtigsten Kunden, der Deutschen Funkturm. Er setzte die richtigen Impulse für eine erfolgreiche Übernahme des Bereiches Infrastruktur und damit der wesentlichen Geschäftsaktivitäten von Europoles. Seither gelang es uns, eine schlagkräftige Expertengruppe in Führungspositionen zu holen und zu etablieren. Eine gute Mischung aus Pragmatikern und Praktikern, alle mit dem passenden Mindset und Ehrgeiz.

Wie kam FUCHS Europoles auf die Erfolgsspur?

Wir haben Produkte und Produktion standardisiert, automatisiert, neu strukturiert, intelligenter gemacht. Daneben haben wir die Unternehmensorganisation einmal komplett auf links gezogen. Mit dem Bau-Verständnis sowie gesundem Menschenverstand der Gesellschafterfamilie. Notwendige Veränderungen wurden erkannt und konsequent umgesetzt. Neue Prozesse, Digitalisierung sowie kaufmännische Transparenz haben dazu geführt, dass unser komplexes Geschäft führbar wurde. Mit Mut und viel Vertrauen in unser Team. Immer nah an den Mitarbeitern, den wesentlichen Marktspielern, ohne große Attitüde. Konsequente Vorfertigung, maximale Wertschöpfung im Werk, Investitionsbereitschaft und die richtige Unternehmersicht für die Märkte. Wir gewannen das Vertrauen der Kunden zurück und bauen es jeden Tag aus. Wir sind als Europoles alle „lila“ geworden.

Die FUCHS-Prinzipien manifestierten sich 2022 im neuen Standort.

Eigentlich wollten wir den alten Sitz bei der Übernahme erwerben, der Eigentümer hat aber einen Rückzieher gemacht. Im Nachhinein ein Glücksfall, weil der Neubau Möglichkeiten eröffnete, um viele gewachsene Zwänge aufzulösen. In Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der Firmenfamilie wuchs der neue Firmensitz sehr schnell. Neben Schleuderbeton und GFK haben wir nun auch die Stahlfertigung gestartet – rechtzeitig zur heißen Phase der Energiewende gibt es wieder Freileitungsmaste Made in Germany. Der Ausbau der Netzinfrastruktur sowie der Wiedereinstieg in die Windkraft sind zukunftsweisende Trendthemen, die unsere 450 Arbeitsplätze, hoffentlich bald mehr, dauerhaft sichern werden. Wir tragen heute mit unseren Mobilfunkmastsystemen wesentlich zum Ausbau der Digitalen Infrastruktur in Deutschland bei. Das Wissen, wie man so etwas skaliert, hilft uns bei der Energiewende. Pfleiderer hatte 2003 sein Engagement in Windkraft eingestellt. Wir wollen nun diese verpasste Chance in einen Erfolg für uns und die ganze Gesellschaft wandeln.

Herzlichen Dank und weiterhin viel Erfolg!
Interview: Hubert Süß